Die "High Line" von Schwamendingen. Über die politische und architektonische Dimension von Infrastrukturbauten

Patrick Goldinger, 2024

Vergrösserte Ansicht: Vorderseite Unterschriftenbogen. “Volksinitiative für Lärmschutz und Wohnlichkeit im Bereiche des Expressstrassen-Y-Teils in Zürich-Schwamendingen.“ Oktober 1975.
Vorderseite Unterschriftenbogen. “Volksinitiative für Lärmschutz und Wohnlichkeit im Bereiche des Expressstrassen-Y-Teils in Zürich-Schwamendingen.“ Oktober 1975. Privatarchiv Jürg Rüegger. © SP Zürich 12.

Fast dreissig Jahre lang kämpften Lokalpolitiker:innen aus Schwamendingen, einem Aussenquartier von Zürich, mit zahlreichen politischen Vorstössen dafür, dass die 1981 eröffnete Autobahn durch das Quartier überdeckt wird. Durch die Eindämmung der massiven Lärm- und Abgasemissionen erhofften sie sich bessere Lebensbedingungen für die Anwohner:innen. Sie setzten sich durch: 2025 soll die Einhausung Schwamendingen nach einem Entwurf von agps architecture ltd. nach über zwanzig Jahren Arbeit fertiggestellt sein. Die Infrastruktur entlastet das Quartier von schädlichen Emissionen und schafft gleichzeitig einen öffentlichen Park darüber. Das Projekt wurde durch Tageszeitungen weitestgehend episodenhaft und mit dem Fokus auf die Gestaltung, Kosten und dem laufenden Bauprozess rezipiert. Jedoch ist das jahrzehntelange politische Ringen der Quartierbewohner:innen mit wechselnden architektonischen Narrativen kaum erforscht.


Die folgende Arbeit befasst sich mit der Fragestellung, welche Bedeutung architektonische Erzählungen als Argument in der politischen Debatte um die Einhausung einnahmen. Sie erinnert daran, warum die Autobahn durch das Wohnquartier ursprünglich geplant wurde. Im Folgenden wird der politische Prozess rekonstruiert, mit dem sich die Lokalpolitiker:innen durchsetzen konnten. Die Untersuchung verdeutlicht, wie im politischen Aushandlungsprozess versucht wurde, die Opposition mit verschiedenen architektonischen und städtebaulichen Lösungen zu überzeugen. Abschliessend wird der Studienauftrag untersucht, aus dem der realisierte Entwurf hervorging. Die Analyse stützt sich auf Interviews mit ausgewählten Projektbeteiligten und beteiligten Lokalpolitikern, welche durch die Auswertung von Archivdokumenten gestützt und schliesslich durch eine Literaturrecherche ergänzt wird.


Dabei wird deutlich, dass die Idee einer Betonhülle mit darüber liegendem Freiraum schon sehr früh von den Beteiligten aus dem Stadtteil entwickelt wurde. Erst die Reduktion dieser Idee auf die kostengünstigere Funktionserfüllung in Form eines Glasdaches brachte jedoch den politischen Durchbruch. Im folgenden Studienauftrag wurde dieser Vorschlag verworfen und es setzte sich das Team durch, das sich an den Bedürfnissen der Quartierbevölkerung orientierte. Für die Auseinandersetzung mit dem Thema über die politische und architektonische Dimension bei Infrastrukturbauten zeigt die Forschung die Notwendigkeit auf, Infrastrukturen nicht nur als physische Bauwerke zu betrachten, sondern als wesentliche Bestandteile des gesellschaftlichen Gefüges.