Zwischen Röntgen- und Computerarchitektur. Zur Entstehungsgeschichte der «Medizinischen Fakultät und Uniklinik der RWTH Aachen» als technisches Objekt zwischen 1960 und 1980

Gina Rauschtenberger, 2023

Vergrösserte Ansicht: Architekturbüro Weber, Brand & Partner. Vorbereitung für die Axonometrie, Darstellung der Funktionen. 1977, Das Bauwerk für die medizinische Fakultät in Aachen. Archiv des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, Universitätsklinikum Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen. Mit freundlicher Genehmigung von Lothar Schwedt.
Architekturbüro Weber, Brand & Partner. Vorbereitung für die Axonometrie, Darstellung der Funktionen. 1977, Das Bauwerk für die medizinische Fakultät in Aachen. Archiv des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, Universitätsklinikum Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen. Mit freundlicher Genehmigung von Lothar Schwedt.  

Sowohl Forschungsgebäude als auch Kliniken sind aufgrund der weltweiten Pandemie wichtiger geworden und in den Fokus des Architekturdiskurses geraten. In diesem Zusammenhang leistet die Forschungsarbeit einen Beitrag zur kritischen Reflektion von Forschungs- und Krankenhausarchitektur in Deutschland wobei sie dem Forschungsfeld «Architektur als Medium» zugeordnet werden kann.

Im Zentrum der Arbeit steht weniger der Bau im Sinne eines ‚fertigen‘ Architekturobjekts im Kontext des Megastrukturalismus, als vielmehr die Analyse der politischen Umstände und ideengeschichtlichen Vorstellungen, die für seine Konzeption, Programmierung und Realisierung eine Rolle spielten. In einem spezifischen historischen Kontext werden die Merkmale einer Entwurfskultur untersucht und die damit einhergehenden sprachlichen und darstellerischen Konventionen analysiert. Einerseits wird aufgezeigt, wie aus dem komplexen Geflecht technokratischer Planung die Architektur als ein Medium zum Funktionieren antizipierter Leistungen der Institution genutzt wird. Andererseits wird herausgestellt, wie durch ebendiese Planung der herkömmliche Architekturbegriff aufgelöst oder gar erweitert wird. Zudem werden anhand dieses Fallbeispiels Fragen aufgeworfen, die den Zusammenhang von gesellschaftlichem, technischem und wissenschaftlichem Fortschritt im Spitalbau in Deutschland in einer gewissen Schärfe zu analysieren erlauben.

Um die Entstehungsgeschichte des Klinikums zu untersuchen, ist die Arbeit in vier Hauptkapitel unterteilt, welche folgende Aspekte behandeln: 1. Institutionsgeschichte und Gründung von Fakultät und Klinik in Aachen; 2. Grundstück, Bauherrschaft, Auftrag und Finanzierung des Baus; 3. Raumstruktur, architektonisches Konzept und grundlegende entwerferische Fragen; 4. Organisation und Repräsentation, Innenraumstruktur und Materialisierung. Zur Untersuchung des Themenkomplexes wird auf eine Fülle von archivgeschützten Primärquellen zurückgegriffen.

Aufbauend auf der architekturtheoretischen Einordnung des Gebäudes «zwischen Röntgen- und Computerarchitektur» (eine Verschränkung der 'x-ray architecture' [2019] von Beatriz Colomina mit dem 'organisational complex' [2005] von Reinhold Martin) wird es methodologisch als ein «technisches Objekt» betrachtet, um die Rolle, die die Architektur spezifisch bei diesem Projekt einnahm, näher definieren zu können. Gilbert Simondon zeigt in 'Die Existenzweise technischer Objekte' (1958) eine Methode auf, um die Art und Weise, wie technische Objekte existieren, zu erfassen. Diese bestehe darin, Diagramme und Funktionsschemata als grundsätzliche Disposition eines technischen Objektes zu studieren.

Diese Methode wird im Rahmen der Forschungsarbeit aufgegriffen. Ausgangspunkt jedes Hauptkapitels ist ein Diagramm als Primärquelle, an dem sich die Problematik des Kapitels aufspannen und die darin ausgearbeitete These formulieren lässt.
Diese Diagramme reichen von Organigrammen der Institution, Flussdiagrammen der Betriebsorganisation hin zu Strukturschemen der Konstruktion. Allen Darstellungen ist jedoch gemein, dass sie die tradierte Architekturdarstellung hinterfragen und konzeptionell erweitern. So wird der Blick vom Objekt weg auf den Prozess gelegt. Unter Einbezug von Ansätzen aus der Technik-, Wissenschafts- und Mediengeschichte, wird herausgestellt, dass das ortsunabhängige 'technische Objekt Uniklinikum' die Kapazität entwickeln sollte, Werte wie Schnelligkeit, Anpassbarkeit und Flexibilität zu reproduzieren. Diese Werte wurden durch mathematisch berechnete Methoden anhand von Organigrammen, Diagrammen und Axonometrien angelegt und eingeprägt.

Vergrösserte Ansicht: Riethmüller, Hans-Ullrich. Gesamtdarstellung Informationsträgerumlauf (Prinzipdarstellung). 1976, «Untersuchungs-Behandlungsabteilungen ohne großen apparativen Aufwand». Planung Medizinische Fakultät der T.H. Aachen. Organisationsstruktur- und Raumbedarfs-Rahmen-Programm, Diskussionsfassung. Archiv des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, Universitätsklinikum Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen. Mit freundlicher Genehmigung von Mechthild Stötter und ihrer Schwester.
Riethmüller, Hans-Ullrich. Gesamtdarstellung Informationsträgerumlauf (Prinzipdarstellung). 1976, «Untersuchungs-Behandlungsabteilungen ohne großen apparativen Aufwand». Planung Medizinische Fakultät der T.H. Aachen. Organisationsstruktur- und Raumbedarfs-Rahmen-Programm, Diskussionsfassung. Archiv des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, Universitätsklinikum Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen. Mit freundlicher Genehmigung von Mechthild Stötter und ihrer Schwester.