Die Stadt, die ich im Traum sah. Johann Labonté, seine Architektur und die urbane Entwicklung des St. Galler Rheintals von 1900 – 1945

Fabian Ruppanner, 2024

Vergrösserte Ansicht: Labonté, Johann: W 025/212, Postkarte 1917, in: Staatsarchiv St. Gallen: W 025 / Labonté, Johann (1866 – 1945), Architekt (1892.10.25 (ca.) – 1980).
Labonté, Johann: W 025/212, Postkarte 1917, in: Staatsarchiv St. Gallen: W 025 / Labonté, Johann (1866 – 1945), Architekt (1892.10.25 (ca.) – 1980). ©Staatsarchiv St. Gallen

Als der deutsche Architekt Johann Labonté 1902 in Heerbrugg ankam, bestand der verstaubte Ort noch aus nicht viel mehr als dem Bahnhof, einem Gasthaus und der Ziegelei der Gebrüder Schmidheiny. In den nächsten knapp zehn Jahren plante und baute Labonté etliche Fabriken, Wohn- und Geschäftshäuser und verlieh Heerbrugg ein beinahe grossstädtisches Flair, angefeuert durch das schier unbeschränkte Wachstum, das die Stickerei-Industrie der Region bescherte. Doch der erste Weltkrieg und die prekären Zwischenkriegsjahre liessen nicht nur die städtischen Visionen von Johann Labonté, sondern die Träume eines urbanen Rheintals so schnell platzen, wie sie gewachsen waren. Anstelle des städtischen Fortschrittglaubens trat die imaginäre Idee einstiger dörflicher Strukturen, gekoppelt mit der neuen Vorstellung des Zusammenlebens: dem Einfamilienhaus.
Anhand der Bauten von Johann Labonté wird versucht, die Geschichte der Stadtplanung im St. Galler Rheintal nachzuzeichnen. Wer liess bauen? Warum wurde gebaut? Wo wurde gebaut? Wie wurde gebaut? Und wer plante? Der Blick hundert Jahre zurück soll nicht nur erlauben, die damaligen städtebaulichen Probleme besser zu verstehen, sondern auch die heutigen. Denn vielleicht – so die Hypothese – liegt die Wurzel der Probleme des 21. Jahrhunderts nicht in der Nachkriegszeit, sondern bereits in den Entscheidungen des frühen 20. Jahrhunderts. Die Arbeit dokumentiert anhand von neun thematischen Kapiteln – von der verkehrstechnischen Erschliessung über die Siedlungsplanung vermeintlicher Gartenstädte bis zur Zersiedlung durch das Einfamilienhaus – die vielfältigen Einflüsse auf und den Mangel an Planungsprozessen – von den euphorischen Anfängen der Industrialisie-rung um 1900 bis zum ernüchternden Ende 1945.